Berlin gilt als die internationalste Stadt Deutschland. Auch Berliner Unternehmen setzen auf dieses Image und wetteifern darum, qualifizierte Fachkräfte für ihr Unternehmen zu gewinnen. Doch wie international und vielfältig sind Berliner Unternehmen wirklich, was ihre Firmenkultur angeht? Wie helfen sie Mitarbeitenden aus dem Ausland bei der Umsiedelung? Und wie werden die unterschiedlichen Kulturen gelebt? Gibt es vor dem Hintergrund religiöser Vielfalt überhaupt Feste wie Weihnachten? Drei Unternehmen geben Auskunft.
Neu in einer fremden Stadt, in einem unbekannten Stadtviertel, die Straßen belebt mit Menschen, die in, „Sch“- und „T“-Lauten sprechen. Eine S-Bahn-Fahrt entfernt, wartet ein großes Bürogebäude und ein neuer Arbeitgeber, dem du noch nie persönlich begegnet bist… Eine abenteuerliche Geschichte? Nicht bei Home24! Denn wie viele Unternehmen, vor allem aus dem digitalen Bereich, hat auch Home24 seine Mitarbeitergewinnung zunehmend virtuell ausgerichtet. Job-Interviews, Assessment, Vertragsabschluss – das alles kann komplett per Telekommunikation abgewickelt werden. Um so spannender dann der Tag, an dem man sich endlich in Persona gegenübersteht.
Anstellung per Video-Konferenz
Home24, 2006 als Start-up gegründet, ist mit der Idee groß geworden, Möbel rund um die Welt zu verkaufen. Ein besonders ausgereiftes Filtersystem hilft dabei den Kunden, die Auswahl einfach und effizient zu gestalten. Heute arbeiten in dem Unternehmen mehr als 1.500 Mitarbeiter, davon rund 1.000 in und um Berlin. „Wir finden zurzeit zum Beispiel im IT-Bereich viele Mitarbeiter im Ausland. Auch wenn wir diese persönlich noch nicht kennengelernt haben, nutzen wir den Umzugsprozess, um genau das zu tun. Wir helfen den neuen Kollegen bei jedem Schritt der Umsiedlung, sei es bei einem Botschaftstermin, bis hin zur Erlangung einer Steuer-Identifikationsnummer“, schildert Laura Schneider aus der Personalabteilung von Home24.“
„Wir haben Fälle, in denen zwischen Vertragsunterzeichnung und der ersten persönlichen Begegnung ein volles Jahr vergeht.“
„Ein Investment, dass sich dennoch auszahlt“, fügt Andrew Thomas, Leiter der Talent Acquisition im Unternehmen hinzu. Bei Home24 arbeiten in Berlin allein 58 Prozent Mitarbeitende mit ausländischer Herkunft. „Unsere Teams sind so international aufgestellt, dass unsere offizielle Sprache Englisch ist, aber in einzelnen Teams wird auch Deutsch gesprochen. Unsere interne Kommunikation verläuft zweisprachig.“
Internationalisierung durch Wirtschaft
Wenn es einen Teilbereich der Gesellschaft gibt, der die globale Internationalisierung vorantreibt, dann ist es seit jeher die Wirtschaft. Verfolgt man in der Geschichtsschreibung vor allem die Ausdehnung und den Zerfall großer Weltreiche, so sind die Handelsbeziehungen eine feste Konstante, die seit jeher für kulturellen und sprachlichen Austausch, Dialog und Beziehungen sorgten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass fast alle großen Unternehmen unserer Tage eine Unternehmenskultur pflegen, die Inklusion und kulturelle Offenheit fördert. Dabei gilt heute schon als belegt, das Unternehmen erfolgreicher arbeiten, wenn sie eine möglichst große Bandbreite an Mitarbeitenden integrieren. 36 Prozent höher ist die Wahrscheinlichkeit für ein Unternehmen, besonders profitabel zu sein, wenn das Management aus Menschen unterschiedlicher Kulturen besteht. (Quelle McKinsey 2020).
Wie steht Berlin im internationalen Vergleich?
„Natürlich ist der nationale Gesetzesrahmen an dieser Stelle ebenfalls ein relevanter Faktor“, sagt Andrea Noelscher, die bei der Berliner Sparkasse im Bereich Personal Ansprechpartnerin für die Themen Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Vielfalt ist. „Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland ist geregelt, dass Benachteiligungen u.a. aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung zum Beispiel bei Bewerbungen zu verhindern oder zu beseitigen sind. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, sich offen oder anonym zu beschweren, wenn es zu Regelverstößen kommen sollte. „Dies ist aber bei uns in Bezug auf kulturelle Unterschiede so gut wie nie der Fall“, so Noelscher. „Als größter Finanzdienstleister der Stadt haben wir einen guten Überblick über die lokalen Firmen, und aus unserer Sicht müssen sich die Berliner Unternehmen nicht vor der globalen Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben umfassendere Rechte, als in vielen anderen Ländern.“
Das zeigt auch das Beispiel der Berliner Sparkasse selbst: Der Berliner Finanzdienstleister, der neben seiner Expertise für private Bankgeschäfte vor allem auch für die Berliner Wirtschaft ein verlässlicher Finanzpartner ist, bekennt sich, wie viele Berliner Unternehmen, zu den Werten der Nachhaltigkeit: ökonomisch, ökologisch und sozial. Das beinhaltet beispielsweise, der Region und den Menschen, die hier leben und arbeiten, zu dienen und die Vielfalt der Gesellschaft sowie unserer Belegschaft zu fördern. Ziel ist das langfristige Wohl von Region und Mitarbeitenden.
Diversität bei der Berliner Sparkasse
Dem entsprechend ist auch das Thema Diversität eine personalpolitische Selbstverständlichkeit. Die Förderung von Vielfalt gehört ebenso zur Unternehmenskultur wie die Schaffung eines Arbeitsumfeldes, in dem Akzeptanz, Toleranz und gegenseitiges Vertrauen gelebt werden. Wir arbeiten daran, die Vielfalt innerhalb der Belegschaft transparenter zu machen und zu erhöhen. Uns ist bewusst, dass verschiedene Perspektiven einen hohen Wert für unser Unternehmen haben und essenziell für unseren gemeinsamen Erfolg sind. „Als Sparkasse in einer der vielfältigsten Städte Deutschlands ist es Chance wie auch betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, die Vielfalt der Kundschaft in der Vielfalt der Belegschaft zu spiegeln. So können geschäftliche Potenziale genutzt und ausgebaut werden. Das kommt sowohl den Kundinnen und Kunden der Berliner Sparkasse als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute.“ Deshalb hat die Berliner Sparkasse bereits 2015 die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet.
Andrea Noelscher ist Diversitybeauftragte der Berliner Sparkasse und Ansprechpartnerin, wenn es um die Themen Chancengerechtigkeit, Gleichstellung und Vielfalt geht.
„Unsere Kundschaft ist vielfältig – wir sind es auch“, freut sich Noelscher. Bei der Berliner Sparkasse arbeiten rund 3.500 Beschäftigte. Auf eine große Vielfalt wie z. B. im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Sprachen oder kulturellen Hintergrund legt das Unternehmen großen Wert. Wir achten auf eine gendersensible Ansprache unserer Mitarbeitenden, fördern die Bildung interner Netzwerke wie z. B. das Väternetzwerk „Väter.in.Motion“ oder „S-Queer – Das LGBT*-Netzwerk der Berliner Sparkasse“ und sind Mitglied im Bündnis gegen Homophobie.
Unternehmenskultur bei den Global Players
Auch der Weltkonzern Siemens, der 1847 als kleine Werkstatt auf einem Berliner Hinterhof gegründet wurde, ist seit langem vehementer Vertreter einer Kultur der Vielfalt und Diversität und unterstützt in seinen Reihen, sowie in der Öffentlichkeit LGBT-Projekte und eine genderneutrale Sprache. Innerhalb des Konzerns gibt es sehr vielseitige Vernetzungsmöglichkeiten, bis hin zu Austauschprogrammen, innerhalb derer Mitarbeitende an andere Standorte des global agierenden Unternehmens gelangen.
„Hier funktioniert der Prozess über alle Ebenen, vom Visums-Antrag, über den Umzug, bis hin zur Wohnungssuche. Wir arbeiten mit professionellen Relocation-Agenturen zusammen, so dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht um Organisation kümmern müssen“, sagt Simone Homann von den Global Business Services. Allein in Berlin beschäftigt Siemens rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 148 Nationen. Weltweit sind es fast 300.000. Was als Tech-Werkstatt mit Schwerpunkt Telegrafie begann, ist heute ein globaler Mischkonzern, der in den Themenfeldern Digitalisierung und Automation genauso an der Spitze steht, wie bei dezentralen Energiesystemen, Schienentransport oder in der Medizintechnik.
Vernetzung und Austausch bei den Siemensianern
Auch bei der Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen einem so großen Konzern besondere Möglichkeiten zur Verfügung. Zum Beispiel werden im Tech Aprenticeship Programm über gezielte Schulpartnerschaften junge Talente in ganz Europa direkt nach dem Schulabgang ausgewählt und angeworben, und ihnen eine dreieinhalbjährige Ausbildung am Standort Berlin ermöglicht.
„Für die jungen Leute ist Berlin eine klare Größe. Die Stadt gilt als sehr offen und sehr divers. Man kann viel machen und ist durch die öffentlichen Verkehrsmittel sehr mobil, was vieles einfacher macht. Sei es, an einen See zu gelangen, Bars oder Clubs zu erreichen“, so Katharina Steyer (Siemens Professional Educations). „Und genau so einfach ist es in Berlin auch, sich einem Verein anzuschließen. Das macht eine wirklich weltoffene Stadt aus.“
Bei der Siemens-Gruppe befinden sich zurzeit 74 junge Menschen mit internationalem Hintergrund in Berlin und werden in technischen Berufen ausgebildet, viele von ihnen noch im Teenager-Alter, berichtet Katharina Steyer, die für das Programm zuständig ist. „Bei uns lernen die Auszubildenden, neben exzellenten fachlichen Fähigkeiten, auch Dinge wie Pünktlichkeit, gründlich zu sein und genau zu arbeiten. Obwohl diese „Deutschen Tugenden“ nicht mehr explizit in den Unternehmenswerten stehen, habe ich den Eindruck, das ist den Ausbildern wichtig“, sagt Steyer schmunzelnd.
Simone Homann, Global Business Services
Katharina Steyer, Siemens Professional Educations
Jessica Wieneke, Siemens Presseabteilung
Deutsche Tugenden – noch in Mode?
Mit dem Slogan „Technologie, um den Alltag neu zu erfinden“, wirbt Siemens aktuell für seine Kernwerte, in denen Innovation, Empowerment, Kundennutzen und Wachstum eine wichtige Rolle spielen. „Typisch Deutsch würde da vielleicht zu kurz fassen“, sagt Jessica Wieneke aus der Presseabteilung. In den 170 Jahren Unternehmensgeschichte habe sich das Unternehmen stark internationalisiert. „Was aber nicht bedeuten soll, dass man uns nicht für unsere Verlässlichkeit und technische Expertise kennt. Werte, für die auch Bereiche der Deutschen Wirtschaft bekannt sind.“
Religiöse Diversität und Weihnachten? Innerhalb des Konzerns gäbe es wenig Beschwerden, wenn es um das Thema kulturelle Unterschiede ginge, denn die Siemensianer seien ohnehin alles in allem recht international ausgerichtet. „Das Thema Feiertage ist eher ein Dauerbrenner mit den ausländischen Kolleginnen und Kollegen, sowie im Austausch mit unseren anderen Standorten“, sagt Andrew Thomas, von Home24. „Oft sind alle verblüfft, dass sie so viele sind. Und man muss sich gut abstimmen.“ Das Unternehmen achtet auch sehr darauf, das die religiöse Praxis nicht eingeschränkt wird. „In unseren Lägern stellen wir Möglichkeiten zum Gebet zur Verfügung. Jeder kann sich ausleben, wie er will.“
Und was ist mit Weihnachten – dem wohl christlichsten aller Feste? „Gemeinsam Weihnachten zu feiern, gehört bei Siemens Deutschland mit zur Erfahrung – insofern man teilnehmen möchte“, sagt Wienecke. Auch bei Home24 wird Weihnachten gefeiert – allerdings ohne zu starke konfessionelle Bezüge. „Eher wie eine Party“, sagt Thomas. Bei der Berliner Sparkasse werden Weihnachtsfeiern sehr individuell in den Arbeitsteams organisiert. In den letzten Jahren lag ein Fokus auch auf besonderen karitativen Aktionen. Davon fühle sich, so Noelscher, niemand benachteiligt. Insofern bleiben auch in internationalen Gewässern einige nationale Besonderheiten erhalten – in einem guten Sinne eben.
Die Berliner Sparkasse macht sich stark für eine vielfältige Gemeinschaft, Chancengerechtigkeit und Gleichstellung am Arbeitsplatz.
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