Bernd Thamke leitet ein queeres Netzwerk im Bundesjustizministerium und schätzt an Berlin die vielfältige und lebendige queere Szene. Zu seinen Lieblingslocations zählt das berühmte SchwuZ, aber nicht nur.
„Hallo Bernd, schön dich zu sehen!“ So eine herzliche Begrüßung bekommt Bernd Thamke heute noch öfter zu hören. An diesem Mittwochabend gibt es im SchwuZ ein ganz besonderes Event, das es so wohl kein zweites Mal gibt in Berlin. Die „Voice&Piano“-Konzertreihe bringt regelmäßig Stars der großen Bühnen dieser Welt und Klaviermusik auf die Bühne. Geboten wird alles von Musicalhits, Chansons, Jazz, Pop, Schlager bis hin zu Klassik. Bernd Thamke lebt seit 2008 in Berlin, kennt das SchwuZ aber schon länger: „Damals war das SchwuZ noch am Mehringdamm in Kreuzberg“, erinnert er sich. „Ich war vorher schon als Tourist hier und habe die Atmosphäre sehr gemocht.“ 2013 hat das SchwuZ in der ehemaligen Kindl-Brauerei in der Rollbergstraße als größter queerer Club Berlins in Neukölln eine neue Heimat gefunden. An einem Samstagabend feiern hier bis zu 1.500 Menschen. „Alle queeren Menschen fühlen sich hier angesprochen, egal ob schwul, bi- oder asexuell, lesbisch, trans*, Dragqueens und Menschen aller Nationalitäten, und das finde ich super.“ Dass es hier sehr familiär zugeht, hat er schon oft erlebt. Egal ob bei Konzertabend, in einer Clubnacht oder unter der Woche an der Bar – man findet Gleichgesinnte, die sich wohlfühlen im SchwuZ: „Queere Menschen fühlen sich hier zugehörig und einfach gut aufgehoben, vielleicht sogar ein bisschen zu Hause. Hier muss niemand Angst haben, schief angeguckt zu werden. Das ist gewissermaßen die Seele des SchwuZ.“
In seiner Heimatstadt Bad Oeynhausen gab es solche queeren Institutionen leider nicht. Auch Bielefeld, wo Bernd Thamke am Amtsgericht gearbeitet hat, konnte ihm so eine vielfältige queere Szene nicht bieten. Nach Berlin hat ihn aber erstmal nur sein juristischer Beruf geführt. „Eine ehemalige Kollegin aus Bielefeld ist zum Bundesjustizministerium gewechselt und machte mich darauf aufmerksam, dass dort Rechtspfleger:innen gesucht werden. Und dann habe ich mich einfach initiativ beworben“, so Bernd Thamke. Jetzt leitet er die Reisestelle im Justizministerium in der Mohrenstraße. Das Queersein ist hier überhaupt kein Problem: „Zusammen mit einem Kollegen habe ich ein queeres Netzwerk für unsere Behörde gegründet. In dieser Eigenschaft habe ich mich sogar einmal direkt mit unserem Bundesjustizminister Marco Buschmann ausgetauscht. Das Ministerium ist wirklich sehr fortschrittlich in diesem Bereich.“ Generell hat der Oberamtsrat, so sein offizieller Titel, in der Hauptstadt keine Form von Diskriminierung oder Ablehnung erlebt„In Berlin ist ein offenes queeres Leben möglich. Ich fühle mich hier sehr frei.“
Engagiert in der Berliner Clubszene
Bernd Thamkes Bindung zum SchwuZ ist vor ein paar Jahren noch enger geworden, denn er hat durch Zufall den Geschäftsführer Florian Winkler-Schwarz bei einer Zaubershow kennengelernt. „Ich war mit meinem Partner im Tipi am Kanzleramt bei Siegfried&Joy und Florian saß mit seinem Freund am selben Tisch. Da kamen wir ins Gespräch und haben einen schönen Abend miteinander verbracht. Mein Partner war sehr daran interessiert, die beiden nach diesem Abend näher kennenzulernen und ich wollte es eigentlich gar nicht, da ich der Meinung war, dass wir keine Zeit für neue Freunde haben würden. Heute sind die beiden ein großer Gewinn in unserem Leben.“
Florian Winkler-Schwarz arbeitet seit acht Jahren in der Geschäftsführung des SchwuZ. Für den 45-Jährigen, der bei der Stadtsparkasse Augsburg eine Banklehre gemacht hat, ist das ein echter Traumjob: „Die Kreativität, die ich hier einbringen kann, ist grandios. Gleichzeitig kann sich jeder auf unseren Bühnen ausprobieren – hier herrscht eine große Offenheit für neue Ideen.“ Mit der Clubszene ist das SchwuZ besonders eng verbunden, denn Co-Geschäftsführer Marcel Weber ist der Vorstandsvorsitzende der Berliner Clubcommission, dem Netzwerk der Berliner Clubkultur. „Wir sind daher gut und eng vernetzt mit den anderen Clubbetreibenden in der Hauptstadt. Dieser Zusammenschluss, das Arbeiten an gemeinsamen Projekten und die Vertretung der Interessen gegenüber der Politik sind enorm wichtig“, erklärt Florian Winkler-Schwarz. „Die Clubkultur in Berlin erbringt eine Wirtschaftsleistung von weit über einer Milliarde Euro für die Stadt – diese wirtschaftliche Kraft darzustellen und daher die Wichtigkeit des Erhalts von Clubkultur zu betonen ist für uns alle wichtig. Viele Clubs sind aktuell von Verdrängung bedroht – im Zusammenschluss von uns allen können wir stärker agieren.“
Queere Szene in Schöneberg
Ein weiterer Lieblingsort von Bernd Thamke ist das Café Kalwil in der Motzstraße in Schöneberg. „Das ist ein schönes Plüschcafé mit Kronleuchtern und Wohnzimmeratmosphäre“, schwärmt er. „Hier gibt es ganz tolle selbstgebackene Torten. Da hatten wir auch das erste Treffen mit Florian und Tom, nachdem wir die beiden im Tipi kennengelernt hatten.“ Überhaupt weiß er den Schöneberger Kiez zu schätzen, der nach wie vor ein wichtiges Zentrum der queeren Szene in Berlin darstellt. „Ich habe ja noch die Zeiten erlebt, wo Kneipen für Schwule eine Klingel an der Tür hatten“, erinnert sich Bernd Thamke. „Es war damals so ein verbotenes Gefühl, dorthin zu gehen. Das ist heute ganz anders. Die queere Szene vermischt sich auch immer mehr mit der heterosexuellen Szene. Ein gutes Beispiel dafür ist das Berghain. In dem Techno-Club ist das Publikum geschätzt halb hetero, halb queer.“Bernd Thamke lebt selbst im Bezirk Mitte, wo er sich auch viel mit Musik beschäftigt. „Zuhause am Schreibtisch stelle ich gerne Playlists mit meiner Lieblingsmusik zusammen. Meine absolute Lieblingsgruppe sind die Pet Shop Boys. Generell mag ich Dance, House, Beach House und Pop; Techno weniger. Mein Traum war es immer, DJ zu werden. Vielleicht darf ich ja mal im SchwuZ auf der kleinen Tanzfläche auflegen.“
Retro-Nächte im SchwuZ
Bis es soweit ist, wird er natürlich noch als Besucher ins SchwuZ gehen. Zu seinen Lieblingsevents zählen die bump!-Nächte: Das „Retro-Studio“ spielt tanzbare Musik aus den 70er-, 80er-, und 90er-Jahren. Ein Klassiker ist die Madonnamania, eine Clubnacht mit allen Songs von Madonna. „Das ist genau meine Zeit, weil ich damals das Clubleben kennengelernt habe. Bei solchen Events treffe ich Menschen aus meiner Altersgruppe“, sagt der 51-Jährige. Aber auch die soziale Seite der traditionsreichen queeren Institution weiß Bernd Thamke zu schätzen. „Das SchwuZ ist neben der angesagten Partylocation auch eine Plattform für Menschen, die unsicher sind mit ihrem Queersein und eine Anlaufstelle suchen, wo sie Hilfe bekommen. Diese soziale Seite ist genauso wichtig.“Für den Bundesbeamten im Justizministerium steht aber erstmal eine neue Lebensphase an, denn er heiratet im Sommer seinen Freund Kai. Zu den Trauzeugen gehören auch Florian Winkler-Schwarz und sein Partner, denn „inzwischen sind wir allerbeste Freunde“, betont Bernd Thamke, der sicherlich bei nächster Gelegenheit im SchwuZ auf sein neues Eheleben anstoßen wird.
Cheers Queers im SchwuZ
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