„Ein Team – Eine Familie“, das ist das Motto der „Sportgemeinschaft Handicap Berlin e.V.“. Eine echte Großfamilie mit 70 basketballbegeisterten Vereinsmitgliedern, darunter Profis, die in allen Rollstuhlbasketball-Ligen spielen, aber auch Hobby-Sportler, die „just for fun“ in der Vereinshalle in Charlottenburg-Wilmersdorf trainieren. Das Besondere an dieser Sportart: Hier trainieren nicht nur Menschen mit körperlichen Einschränkungen, sondern auch Nichtbehinderte. Das macht Rollstuhlbasketball zu DER integrativen Sportart überhaupt und wird dadurch immer beliebter.
„Es sind eben nicht nur Rollstuhlfahrer – auch Leute, die keine Behinderung haben sind Teil der Gruppe“, erzählt Martin Schmidt, Vereinsvorsitzender der „Sportgemeinschaft Handicap Berlin e.V.“. Er ist einer der drei Trainingsleiter für Rollstuhlbasketball und nicht auf einen Rollstuhl angewiesen. In der Rolle des „Läufers“ nutzt er den Rollstuhl lediglich als Sportgerät. Bereits vor über 20 Jahren kam er über eine verletzte Mannschaftskollegin, die kein Läufer-Basketball mehr spielen konnte, mit der Sportart in Berührung. Rollstuhlbasketball ist „schwierig, aber auch reizvoll“, so Schmidt, da „man nicht nur den Ball, sondern auch den Rollstuhl unter Kontrolle bringen muss.“ Was diese Sportart für ihn so besonders macht, ist der integrative Aspekt: „Rollstuhl, nicht Rollstuhl, Männer, Frauen, alt, jung. Die integrative Sportart für mich überhaupt – ich war vom ersten Moment an Feuer und Flamme“.
Sport gibt Lebensmut
Die Altersspanne ist groß: die jüngsten Mitglieder sind 12 und die ältesten weit über 60 Jahre. Auch sind Männer und Frauen gemischt, denn „die Anzahl der Sportbegeisterten in diesem Bereich ist begrenzt“, sagt Martin Schmidt. So richten sich die Trainingszeiten nicht nach Teams, sondern überwiegend individuell nach den Spielern und Spielerinnen. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf „ernsthaftem Training“ mittwochs und freitags und „einfachem Spielen ohne Leistungsanspruch“ an Donnerstagen und Montagen.
Da der Verein 1955 ursprünglich als „Versehrten-Sportverein“ für Kriegsverletzte gegründet wurde, stammen auch heute noch viele der Mitglieder aus den jüngeren Kriegsgebieten Bosnien, dem Libanon und Syrien. Martin Schmidt gibt sich zuversichtlich: „Die blühen hier auf“. Gerade der Kontakt zu Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben „gibt ihnen neuen Lebensmut“.
Keiner will ausgegrenzt werden
Auch mit gängigen Vorbehalten wird aufgeräumt. „Manche denken, dass „echte“ Rollstuhlfahrer ein Problem damit haben, dass sich Menschen, die laufen können, in den Rollstuhl setzen. Aber es ist gar nicht so“. Laut Schmidt ist das Gegenteil der Fall: „Keiner will ausgegrenzt sein oder in eine Ecke geschoben werden“.
Im Laufe der 1980er-Jahre wurden erstmals Nicht-Rollstuhlfahrer zum Sport zugelassen und so ist eine integrative Sportart entstanden. Wie beim „Läufer-Basketball“ besteht auch die Rollstuhlbasketball-Mannschaft aus 5 Personen. Damit gewährleistet bleibt, dass Rollstuhlbasketball ein Sport für Rollstuhlfahrer bleibt, darf eine Mannschaft aus max. 2 NB‘s, das heißt Nichtbehinderten, bestehen. Auch der Behinderungsgrad der Spieler und Spielerinnen im Rollstuhl spielt eine Rolle bei der Aufstellung der Mannschaft. Die unterschiedlichen Behinderungsgrade der Basketballer und Basketballerinnen werden mithilfe eines Punktesystems bewertet. Schmidt erklärt: „Jemand, der große Einschränkungen hat, erhält einen Punkt und wer gar keine Einschränkungen hat, wie ein Läufer beispielsweise, der hat 4 ½ Punkte. In Halbpunkteschritten gibt es alle möglichen Abstufungen, Frauen bekommen zusätzlich einen Punktabzug“. Insgesamt dürfen die Punkte der 5 Spieler und Spielerinnen eines Teams insgesamt nur 14,5 ergeben. „Wenn man sich verrechnet und der Kampfrichter es bemerkt, bekommt der Trainer ein Foul“, amüsiert sich Schmidt.
Ein Sportrollstuhl ist teuer und muss viel aushalten
Da die Profimannschaften der „Sportgemeinschaft Handicap Berlin e.V.“ in der Regionalliga, Landesliga, Oberliga und Regionalliga spielen, sind sie auf passgenaue Sportrollstühle angewiesen. Im Gegensatz zu den Alltagsrollstühlen sind diese mit schräg angeordneten Rädern und einer Stütze ausgestattet, die ein Kippen des Stuhls verhindern. Feststellbremsen sind wegen der hohen Verletzungsgefahr verboten. „Bei 4.500-5.000 Euro fängt es an, wenn man einen ordentlichen Sportrollstuhl haben möchte, der dann auch länger hält und einiges aushält“. Aus diesem Grund ist der Verein auch auf Unterstützung und Spenden angewiesen. Denn die finanziellen Mittel der einzelnen Spieler und Spielerinnen reichen oft nicht für die Anschaffung eines Sportgeräts aus. Und der Sport wird immer beliebter, die Nachfrage nach Rollstühlen steigt.
„Wir haben nicht das Ziel, sehr viel größer zu werden, denn das bedeutet mehr Arbeit und mehr Leute, die man als Mitarbeiter gewinnen müsste,“ erklärt Schmidt und weist darauf hin, wie herausfordernd es ist, Trainingsleiter und Trainingsleiterinnen zu finden und zu halten. „Es bleibt eine Arbeit, in der viel Herzblut steckt. Wenn man reich werden möchte, sollte man etwas anderes machen“. Einige Sparten des Vereinsangebots mussten in der Vergangenheit aufgrund von fehlendem Betreuungspersonal bereits gekürzt werden. „Man kann die Übungsleiter ja auch nicht auf Vorrat halten“ sagt Martin Schmidt. Der Verein zählt derzeit 430 Mitglieder, 80 davon sind Fußballer und Fußballerinnen mit kognitiver Einschränkung, die ebenso wie die Basketballer im Ligabereich spielen. Gymnastikangebote im Wasser oder in der Halle sowie Fußballtennis runden das Angebot in der Neuen Kantstraße für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen ab.
Trotz der hohen Mitgliederzahl können die Kosten für die Anschaffung neuer Sportrollstühle nicht alleine durch die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden. Bereits zum dritten Mal wird der Verein von der Stiftung Berliner Sparkasse – von Bürgerinnen und Bürgern für Berlin unterstützt. „Wir sind extrem dankbar über die Stühle, die wir durch die Mittel finanzieren konnten“. Erst gestern hat Martin Schmidt im Zuge dessen einen neuen maßangefertigten Vereinsstuhl im Sanitätshaus beauftragen können. Schmidt ist glücklich: „Wenn man Unterstützung von außen bekommt – das entschädigt für allen Stress, den man hier manchmal auch hat“.
„Rollstuhlbasketball ist eine Sportart für jeden, der Basketball liebt“ und so hofft der Vereinsvorsitzende, dass Rollstuhlbasketball mehr Aufsehen erregt und mehr Menschen – ob Läufer oder Nichtläufer – zum Probetraining vorbeikommen. „Wir freuen uns immer über Neuzugänge, jede Person ist eine Bereicherung“. Für seine Spieler und Spielerinnen in der Liga wünscht sich Martin Schmidt ganz konkret, dass an den entscheidenden Spieltagen Zuschauer und Zuschauerinnen zum Anfeuern kommen. Platz ist genug – die Tribüne bietet Platz für 100 Personen. „Denn nur so“, sagt Schmidt weiter, „können wir Berührungsängste abbauen“.
Die Förderung des sportlichen Nachwuchses in Berlin liegt der Berliner Sparkasse seit vielen Jahren am Herzen. Deswegen zeigt sie Engagement für Sportvereine im Kiez, unterstützt die Talentsuche an Berliner Schulen und engagiert sich für die Spitzensportler von Morgen an den Berliner Eliteschulen des Sports.
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