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Team des Regenbogenfamilienzentrums in Berlin-Schöneberg

„Danke, dass ihr uns begleitet habt!“

Das Regenbogenfamilienzentrum in Berlin-Schöneberg unterstützt die LSBTI*-Community rund um die Themen Familie und Kinderwunsch. Der Träger dieser vorbildlichen Einrichtung, die seit zehn Jahren existiert, ist der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg e. V. (LSVD). Die Berliner Sparkasse hat das Projekt mit Spenden unterstützt und sich mit der Leiterin Lisa Haring unterhalten. 

Frau Haring, das Regenbogenfamilienzentrum Berlin war 2013 das erste seiner Art in Deutschland. Was war der Auslöser für die Gründung?

Lisa Haring: Es war einfach dringend notwendig. Aufgrund von Gesetzesänderungen und einer erhöhten Sichtbarkeit ist es normaler geworden für queere Menschen, Kinder zu haben. Infos dazu wurden innerhalb der Community eher über Mund-zu-Mund-Propaganda weitergegeben, aber es gab keine Möglichkeit, sich in Berlin professionell beraten zu lassen. Das hat sich vor zehn Jahren mit der Gründung des Regenbogenfamilienzentrums geändert.

Damit schließen Sie eine Lücke für Regenbogenfamilien, die offenbar gut angenommen wird.

Lisa Haring, Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums

Ja, und zwar besser, als wir es bedienen können. Wir haben im Schnitt 600 bis 700 Beratungen pro Jahr. Wir beraten zu allen Fragen rund um das Thema Kinderwunsch, Diskriminierung und Konflikten in queeren Familien. Außerdem stehen mehrere ehrenamtliche Jurist*innen zur Seite. 

Welche Hürden liegen auf der rechtlichen Seite?

Es gibt kein queeres Familienrecht, also es gibt keine Gesetze für queere Familien. Im Abstammungsrecht sind sie total benachteiligt, sowohl Trans -Personen als auch lesbische Paare. Oft haben wir es mit rechtlich sehr komplexen Situationen zu tun, wenn zum Beispiel eine Person bei einem queeren Paar keine deutsche Staatsbürgerschaft hat oder wenn es um Reproduktionsmedizin im Ausland geht. Da ist es schon wichtig, eine Juristin hinzuziehen zu können.

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Es geht ganz viel um die generelle rechtliche Lage. Ein großes Thema ist die Stiefkinderadoption, wenn ein Kind geboren wird, und der zweite Elternteil nicht männlich ist. Die Ehe macht keinen Unterschied und für nicht-binäre Personen ist es genau so schwierig wie für Frauen. Die Person, die das Kind nicht geboren hat, muss das Kind dann adoptieren. Es gibt keine andere Chance, in die Geburtsurkunde des Kindes zu kommen. Wenn es einen privaten Samenspender gegeben hat, muss der auch noch zum Notar. Viele queere Paare wissen nicht, wie sie sich als Familie rechtlich absichern können. In diesem Prozess passiert auch viel Diskriminierung. Zuständig für Stiefkinderadoption sind die Familiengerichte und dort ziehen sich die Verfahren manchmal drei oder vier Jahre hin, obwohl es deutlich schneller gehen könnte. So lange hat das Kind dann nur einen rechtlichen Elternteil.

Wie sieht es mit Reproduktionsmedizin wie künstlicher Befruchtung aus?

Hierfür gibt keine finanzielle Unterstützung, das ist eine große Benachteiligung im Vergleich zu Hetero-Paaren. Hier geht es nicht selten um Kosten von um die 10.000 Euro. Daran kann ein Kinderwunsch leider manchmal scheitern. 

Welche Angebote bietet das Regenbogenfamilienzentrum neben den Beratungen?

Wir haben hier eine Krabbelgruppe, offene Nachmittage und wir organisieren gemeinsame Ausflüge. Zudem gibt es Gruppenangebote für queere Menschen mit Kinderwunsch, wo sie sich beispielsweise zum Thema Stiefkinderadoption austauschen können. Eine Besonderheit bei uns ist sicherlich auch das Co-Eltern-Speed-Dating: Hier treffen sich Menschen, die nach Co-Elternteilen suchen, um gemeinsam ein Kind groß zu ziehen, ohne eine Liebesbeziehung zu führen. Ein wichtiger Baustein unseres Angebots ist es, dass wir Menschen zusammenbringen, die vor denselben Herausforderungen stehen. Es ist total entlastend, sich darüber auszutauschen und sich Tipps zu holen.

Sind Diskriminierungen im Alltag auch ein Thema, mit dem Sie sich hier beschäftigen?

Ja, bei Behördengängen zum Standes- oder Jugendamt kommt es immer wieder zu Diskriminierungen. Außerdem hören wir häufig von Fällen aus der Kita oder aus der Schule. Da gibt es oft einen krassen Mangel an Sensibilisierung und Wissen.

Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

Ein queeres Elternpaar, das hier angebunden ist, hat ihr Kind im Hort angemeldet und stieß auf eine offenbar völlig überforderte die Erzieherin, die nun zwei Mütter eintragen sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass zwei Frauen gleichermaßen sorgeberechtigt sein könnten. Ein trans* Vater  hat uns erzählt, dass er beim Jobcenter monatelang keine Leistungen bekommen hat, weil die Behörde die Geburtsurkunde vom Kind nicht anerkannt hat – denn da stand noch ein Frauenname drin, also seine vorige Identität. Viele Menschen stellen queeren Paaren einfach sehr übergriffige Fragen, die sie Heterosexuellen nie stellen würden. Das ist leider ein gängiger Mechanismus, wenn man Menschen als anders kategorisiert, dann gibt es plötzlich so eine Freiheit, Grenzen zu überschreiten, die man nicht überschreiten würde, wenn man das Gegenüber auf gleicher Höhe wahrnimmt.

Was war die bewegendste Erfahrung, die Sie hier erlebt haben? 

Das Schönste ist, dass ich jetzt schon so lange hier bin, dass es Paare gibt, die ich mal zum Thema Kinderwunsch beraten habe und dann haben sie mir stolz ihr Kind in der Krabbelgruppe gezeigt. „Danke, dass ihr uns begleitet habt“, höre ich dann immer wieder. Das ist eine sehr schöne Wertschätzung unserer Arbeit.

Wir übernehmen gesellschaftliches Engagement für unsere Stadt.
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