Für viele Physiotherapeuten bedeutet der Schritt in die Selbstständigkeit mehr Freiheit und selbstbestimmtes Arbeiten. Gleichzeitig bringt eine eigene Physiotherapiepraxis auch mehr Verantwortung und neue Herausforderungen im Arbeitsalltag mit sich. Aber worauf kommt es eigentlich bei einer erfolgreichen Praxisgründung an? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Sie eine Praxis für Physiotherapie eröffnen dürfen? Und warum sind Sie gut beraten, bereits am Anfang über Ihren Start hinauszudenken? Über diese Themen und hilfreiche Tipps für angehende Existenzgründer haben wir mit Sven Löchle, dem Gründer und Inhaber der TEGELPRAXIS Berlin, gesprochen.
„Vor dem Start in die Selbstständigkeit steht zunächst die Frage, ob Sie ausschließlich Privatpatienten betreuen oder auch mit der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenarbeiten wollen“, erklärt Löchle. „Private Patienten erhalten häufig mehr Behandlungen pro Diagnose, der abrechenbare Behandlungssatz liegt höher als bei den gesetzlichen Krankenkassen und auch der bürokratische Aufwand fällt erheblich geringer aus“, zählt Löchle auf. In Deutschland sind jedoch über 72 Millionen Menschen in der GKV organisiert und ein Großteil der ärztlichen Verordnungen entfällt auf gesetzlich Versicherte. Vor diesem Hintergrund tendieren viele Gründer, die eine Physiopraxis eröffnen wollen, eher zu einem Mischmodell. Wer sich allerdings nicht auf Privatpatienten oder Hausbesuche beschränken möchte, unterliegt sehr speziellen Anforderungen, die für eine Kassenzulassung erbracht werden müssen.
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Um als staatlich anerkannter Physiotherapeut eine Kassenzulassung zu erhalten, müssen Sie eine Praxis einrichten, die genau vorgegebenen Auflagen entspricht und von den Kassen überwacht wird. Geregelt sind die Voraussetzungen in den sogenannten „Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes gemäß § 124 Abs. 4 SGB V“. Vorgeschrieben ist beispielsweise die Einrichtung von mindestens einem Behandlungsraum mit einer Therapiefläche von mindestens 20 Quadratmetern und zwei Behandlungsbereichen mit je einer Behandlungsliege. Neben den räumlichen Mindestvoraussetzungen für die eigene Physiotherapiepraxis gibt es auch klare Vorgaben zur Pflicht- und Zusatzausstattung – von geeigneten Trainingsgeräten über eine Notrufanlage bis hin zur transportablen Behandlungsliege.
Tipp: Ausführliche Informationen zur Zulassung und zur Ausstattung erhalten Sie unter anderem beim VDB Physiotherapieverband oder beim Deutschen Verband für Physiotherapie (ZVK).
„Die Ausbildung zum Physiotherapeuten ist zwar eine der Grundvoraussetzungen für die Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Kassen“, führt Löchle aus. „Verfügen Sie jedoch über keine zusätzliche Ausbildung, zum Beispiel in Manueller Therapie oder Lymphdrainage, können Sie einen Großteil der Rezepte nicht mit den Krankenkassen abrechnen. Was bleibt sind lediglich Massagen und Krankengymnastik – alle anderen Patienten müssten Sie wohl oder übel wegschicken“, so Löchle. Für die notwendigen Fortbildungen und die zukünftige Ausrichtung der eigenen Physiotherapiepraxis empfiehlt der erfahrene Praxisgründer, sich auf einen bestimmten Schwerpunkt zu konzentrieren, beispielsweise in der Arbeit mit chirurgisch-orthopädischen Patienten oder mit neurologischen Patienten.
Ob Raummiete, Praxis-Ausstattung, die technische Einrichtung, Energie- und Versicherungskosten oder die eingestellte Rezeptionistin – wenn Sie eine Physiotherapiepraxis eröffnen, entstehen zwangsläufig Kosten, die bereits vor dem Start und für den laufenden Betrieb fällig werden. „Zusätzlich zu dem finanziellen Aufwand für Einrichtung, Ausstattung & Co. benötigen Sie ein Polster für die ersten Monate, bis Ihre eigene Physiotherapiepraxis richtig angelaufen ist“, rät Sven Löchle. „Auch wenn es gerade bei der Einrichtung und den benötigten Gerätschaften große preisliche Unterschiede gibt, kann in der Summe aller Ausgaben und Reserven schnell ein mittlerer fünfstelliger Betrag zusammenkommen“, macht der 50-Jährige deutlich.
Tipp: Die Gründung einer Gemeinschaftspraxis bietet Ihnen eine Alternative, mit der Sie Ihre Kosten erheblich senken können. Während jeder Physiotherapeut in den gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten seine eigenen Patienten behandelt, werden die Kosten (Miete, Rezeption, Energie etc.) geteilt.
„In der dreijährigen Ausbildung spielen betriebswirtschaftliche Aspekte, die für die Eröffnung einer eigenen Physiotherapiepraxis wichtig sind, leider kaum eine Rolle“, bedauert Löchle. Nichtsdestotrotz kommt es beim Sprung in die Selbstständigkeit auf einen gut durchdachten Businessplan an, insbesondere wenn Sie auf eine Finanzierung von der Bank angewiesen sind oder eine Gründungsförderung beantragen möchten. Entscheidend für einen fundierten Businessplan ist neben einer genauen Standortanalyse eine sauber kalkulierte Finanzplanung sowie ein schlüssiges Konzept, wie Sie sich am Markt durchsetzen wollen.
Analysieren Sie vor allem den Markt und den Wettbewerb in der Region, wo Sie Ihre Physiopraxis eröffnen wollen. Wie wollen Sie Umsätze und Gewinne erwirtschaften? Mit welchen Maßnahmen können Sie sich einen großen Patientenstamm aufbauen? Wie können Sie sich von Ihren Mitbewerbern unterscheiden und auf Ihr Angebot aufmerksam machen? Als Existenzgründer stehen Sie vor zahlreichen Fragen. „Ein erfahrener Gründungsberater kann beim Sprung in die Selbstständigkeit die notwendige fachmännische Unterstützung liefern. Einige Anbieter sind dabei speziell auf den Bedarf von Physiotherapeuten ausgerichtet – von der Beratung und Schulungen über Software-Lösungen für Ihre Praxisverwaltung bis hin zu Karteikarten, Formularen oder Mobiliar“, rät Löchle.
„Um mit Ihrer eigenen Physiotherapiepraxis auch langfristig erfolgreich zu sein, sollten Sie bereits am Anfang vorausschauend planen“, betont der 50-Jährige. „In unserer Praxis haben wir neben einer ansprechenden Einrichtung besonderen Wert auf eine hochwertige und langlebige Ausstattung gelegt, mit der sich unsere Patienten und Therapeuten wohlfühlen.“ Steht weiteres Wachstum an, benötigen Sie neben zusätzlichem Personal auch mehr Platz und weitere Räume. Idealerweise haben Sie also bereits am Anfang etwas großzügiger geplant.
Eine eigene Physiotherapiepraxis bedeutet auch deutlich mehr Verwaltungsaufwand: „Therapeuten sind im wahrsten Sinne des Wortes Handwerker. Eine erfahrene Verstärkung an der Rezeption, die sich im Praxismanagement, im Rechnungswesen und in der Abwicklung mit den Krankenkassen auskennt, kann Ihnen viel von diesem Aufwand abnehmen“, so Löchle.
Für alle Existenzgründer hat der erfahrene Praxisinhaber noch einen speziellen Tipp: „Wichtig ist eine ansprechende Homepage, da die heutigen Patienten verstärkt im Internet nach einem geeigneten Physiotherapeuten suchen und dann sollte man dort auch zu finden sein. Die meisten Physiotherapiepraxen haben allerdings noch keine eigene Homepage – für uns ein klarer Wettbewerbsvorteil.“
Die Physiotherapie gehört in Berlin bereits heute zu den Branchen mit deutlichen Fachkräfte-Engpässen. Gleichzeitig steigt der Behandlungsbedarf weiter an. Der Schritt in die Selbstständigkeit und die Eröffnung einer eigenen Physiotherapiepraxis bieten Ihnen daher vielerorts gute Zukunftschancen. Den Grundstein für den langfristigen Erfolg Ihrer Praxis legen Sie dabei bereits vor und mit dem Start – fachlich, konzeptionell, finanziell und strukturell.
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