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Die Telemedizin bietet Ärzten und Patienten die Möglichkeit, über digitale Technologien zu kommunizieren.

Fernbehandlung: Chancen und Grenzen der Telemedizin

Nicht nur in ländlichen Regionen herrschen zunehmende Engpässe in der medizinischen Versorgung, auch in den Städten müssen Patienten manchmal monatelang auf einen Arzttermin warten. Mit der Video-Sprechstunde könnten überfüllte Wartezimmer und Notaufnahmen bald der Vergangenheit angehören. Welche Vorteile bringt die Telemedizin für Ärzte und Patienten? Und welche Einschränkungen gibt es? Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr zu den aktuellen Entwicklungen und den Möglichkeiten der Fernbehandlung.

Steigende Nachfrage an Telemedizin-Angeboten

Die Digitalisierung durchzieht heute fast alle Lebensbereiche und ist längst auch in der Gesundheitsversorgung angekommen. Die Nachfrage nach digitalen medizinischen Dienstleistungen ist groß. So nutzen heute etliche Menschen das Internet als erste – und manchmal einzige – Informationsquelle bei gesundheitlichen Beschwerden. Dass die Selbstdiagnose via „Dr. Google“ viele Gefahren birgt und die Patienten in der Regel mehr verunsichert als aufklärt, muss kaum dazugesagt werden.

Auch Online-Arztpraxen wie ZAVA (ehemals DrEd) und Medgate werden jährlich von Hunderttausenden deutschen Patienten konsultiert. Meist sind diese Unternehmen im Ausland ansässig und stehen daher nicht unter der Aufsicht der deutschen Behörden. Um das Feld der Telemedizin nicht den kommerziellen Unternehmen zu überlassen, sprach sich die Mehrheit der Delegierten auf dem 121. Deutschen Ärztetag im Jahr 2018 dafür aus, das Verbot der ausschließliche Fernbehandlung zu lockern und die ärztliche (Muster-)Berufsordnung (MBO-Ä) entsprechend zu ändern.

Durch Fernbehandlung mit der Digitalisierung Schritt halten

Durch die von der Bundesärztekammer beschlossene Neufassung des § 7 Absatz 4 MBO-Ä soll es Ärzten künftig möglich sein, ihren Patienten eine Primärversorgung via Video-Sprechstunde anzubieten. Zuvor waren nur Verlaufskontrollen per Fernbehandlung zulässig, beispielsweise die Nachsorge von Operationsnarben. Nun dürfen ohne vorausgehendes Behandlungsverhältnis Diagnosen gestellt und Erstbehandlungen eingeleitet werden, sofern es im jeweiligen Einzelfall als medizinisch vertretbar erachtet wird. Der Ärztetag will damit den technologischen Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und den entsprechenden Bedürfnissen der Patienten Rechnung tragen. Während Kritiker vor einem drohenden Niveauverlust in der medizinischen Versorgung warnen, sehen Befürworter in der Ausweitung der Befugnisse zur Fernbehandlung die Chance, dass nicht die kommerziellen Anbieter, sondern die Ärzte gemäß ihrer Sorgfaltspflicht die Qualitätsmaßstäbe in der Telemedizin setzen.

Welche Möglichkeiten umfasst die Telemedizin?

Auch wenn es in Zukunft erlaubt ist, Patienten ausschließlich per Video-Sprechstunde zu beraten und zu behandeln, war sich die Bundesärztekammer darin einig, dass die Fernbehandlung den persönlichen, „analogen“ Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen kann. Die Sprechstunde in der Praxis bleibt der Königsweg in der medizinischen Versorgung. Die Diagnose vieler Krankheiten wird nicht nur anhand von Anamnesegesprächen und sichtbaren Symptomen gestellt, sondern bezieht beispielsweise auch Tastbefunde, Laborwerte und Gewebeproben ein. Daher stößt die Erstdiagnose per Telemedizin bei vielen Krankheitsbildern an ihre Grenzen. Sie ist somit eher als ergänzendes Angebot anzusehen, das die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, aber auch zwischen Ärzten und (Fach-)Kliniken erleichtern kann. In folgenden Bereichen kann die Telemedizin zur Anwendung kommen:

  • Unmittelbarer Austausch von klinischen, radiologischen und histologischen Befunden sowie Laborergebnissen zwischen Haus- und Facharzt
  • Interdisziplinäre Telekonsultation zwischen Kliniken
  • Erstdiagnose und Behandlungseinleitung bei einfachen, akuten Krankheitsbildern, beispielsweise bei Infekten
  • Fernbetreuung von Patienten durch Übermittlung von Werten und Daten sowie visuelle Verlaufskontrolle per Video-Sprechstunde
  • Digitale Patientenschulung bei chronischen Erkrankungen

Beispiele für telemedizinische Anwendungen: Mithilfe von Medizin-Apps können Patienten ihre Messdaten (z. B. Blutzucker- oder Blutdruckwerte) an den behandelnden Arzt übermitteln. Beim Telemonitoring werden biologische Messwerte automatisch mittels spezieller Sensoren aufgezeichnet, womit sich etwa die Funktionsweise eines Herzschrittmachers überwachen lässt. In der Fernbehandlung spielt die Video-Sprechstunde eine zentrale Rolle. Ausgestattet mit Webcam und Mikrofon kommunizieren Arzt und Patient in zertifizierten Chat-Programmen miteinander. Der Vorteil zur klassischen Telefonberatung: Der Arzt kann hier gleich eine optische Verlaufskontrolle vornehmen, beispielsweise bei Hauterkrankungen.

Was bringt die Fernbehandlung für Ärzte?

Gerade für Patienten, die in ländlichen Gebieten leben oder unter Bewegungseinschränkungen leiden, kann es eine große Erleichterung darstellen, wenn sie von ihrem Hausarzt per Fernbehandlung betreut werden. Doch verspricht die Telemedizin umgekehrt einen geringeren Behandlungsaufwand? Im Hinblick auf die Video-Sprechstunde profitieren in erster Linie die Patienten von der Zeitersparnis. Denn während für sie die Anfahrts- und Wartezeiten wegfallen, nimmt die Video-Sprechstunde für den Arzt genauso viel Zeit in Anspruch wie die Sprechstunde vor Ort in der Praxis. Trotzdem ermöglicht die Fernbehandlung auch Ärzten eine größere zeitliche Flexibilität. So können einzelne Patientengespräche außerhalb der normalen Sprechstundenzeiten geführt werden. Auch dank der automatischen Datenübermittlung via Telemonitoring und Medizin-Apps sowie durch kürzere Kommunikationswege von Arzt zu Arzt lassen sich Arbeitsprozesse effizienter gestalten.

Finanziell zahlte sich die Fernbehandlung in der Vergangenheit allerdings nicht aus: So konnte ein Arzt für die Video-Sprechstunde nur rund halb so viel wie für eine normale Sprechstunde abrechnen. Mit der Änderung der Berufsordnung soll die Abrechenbarkeit der Fernbehandlung jedoch künftig ausgebaut werden.

Pilotprojekt „docdirekt“ – erste Erkenntnisse zur Effizienz der Fernbehandlung

Bereits vor dem bundesweit gültigen Beschluss der Bundesärztekammer waren die Möglichkeiten zur Fernbehandlung in einzelnen Regionen Deutschlands im Rahmen von Modellprojekten erweitert worden. So hatte die Landesärztekammer Baden-Württemberg das Fernbehandlungsverbot schon im Jahr 2016 gelockert. Im Pilotprojekt „docdirekt“ in Stuttgart und Tuttlingen können sich Patienten seither per Telemedizin beraten und behandeln lassen. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass rund 40 Prozent der Patienten per Telefon, App und Video-Sprechstunde vollständig behandelt werden konnten. Die übrigen Ratsuchenden wurden zur weitergehenden Abklärung an Arztpraxen und Kliniken weitergeleitet. Für immerhin fast die Hälfte der Patienten konnte somit eine Erstdiagnose per Fernbehandlung gestellt werden, was eine nicht unerhebliche Entlastung für die Wartezimmer in Praxen und Notfallambulanzen bedeutet.

Fazit

In vielen Fällen kann die Fernbehandlung die medizinische Versorgung in der Arztpraxis sinnvoll ergänzen und Kommunikationswege verkürzen. Den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt wird die Telemedizin jedoch auch in Zukunft nicht gleichwertig ersetzen können.

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