Erschienen im Tagesspiegel am 12.09.2019
Anlegerfrage an Klaus Kramer, Direktor Private Banking der Berliner Sparkasse
Ausländische Aktionäre bauen ihre Anteile an Dax-Unternehmen weiter aus. Birgt das für mich als Kleinanleger Vor- oder Nachteile?
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Ausländische Investoren halten bereits heute schon gut 60 Prozent an unseren Unternehmen im Dax, Tendenz steigend. Die großen Erfolge der deutschen Industrie kommen ihnen in Form von Kursgewinnen und Dividenden seit Jahrzehnten mehr zugute als den Deutschen. Die Erklärung ist bekannt und besprochen, nur – es ändert nichts: Gerade einmal acht Prozent besitzen hierzulande Aktien, nimmt man Fonds hinzu, kommt man auf 16 Prozent. Die deutsche Scheu vor Aktienanlagen scheint spätestens mit dem Zusammenbruch der Dotcom-Euphorie Anfang der 2000er-Jahre zementiert worden zu sein.
Wer jedoch deutsche Titel hält, für den kann das Interesse ausländischer Investoren durchaus nützlich sein. Denn diese bemühen sich um Wertsteigerungen, die allen Anlegern zugute kommen. Erst kürzlich etwa wurde die Beijing Automotive Group zum neuen Daimler-Hauptaktionär. Der Konzern ist selbst Autobauer, setzt also auf Synergien und ist für die Stuttgarter zugleich ein starker Partner auf dem chinesischen Absatzmarkt. Zudem decken Großinvestoren oft in kürzester Zeit Ineffizienzen auf und drängen auf deren Behebung.
Wenn Großinvestoren hingegen auf Übernahmen, Spaltungen oder Fusionen aus sind, gibt es in der Regel auch Verlierer. Und dass internationale Beteiligungen kein Allheilmittel sind, hat der Fall Kuka gezeigt. Im Jahr 2016 hatte der chinesische Konzern Midea 95 Prozent der Anteile an dem Augsburger Roboterhersteller gekauft, für 115 Euro pro Aktie. Inzwischen ist der Kurs auf weniger als 40 Euro gefallen. Zudem bestehen Sorgen, Kuka könne Know-how-Vorteile verlieren. Entscheidend sind also die Motive. Welche Strategie verfolgt der Investor? Wie passt das Unternehmen in sein Portfolio? Wie ist er bei anderen Beteiligungen vorgegangen? Sind am Unternehmen Fondsgesellschaften beteiligt, die auf einer Hauptversammlung für die Interessen deutscher Aktionäre einstehen? Diese Fragen stellen sich auch professionelle Fondsmanager, wenn ausländische Großaktionäre auf den Plan treten.
Am Ende zählt aber die eigene Präferenz. Wer sich mittelfristig und aktiv mit Aktien beschäftigt, sollte auch die Beteiligungsstruktur und die Interessen von Großinvestoren beachten. Wer sich langfristig an deutschen Unternehmen beteiligen will, sollte bei der Aktionärsstruktur eher auf Stabilitätsanker wie Unternehmerfamilien setzen.