Wie leben Menschen unterschiedlicher Religionen in Berlin? Was sind die wichtigsten Werte? Wir haben nachgefragt bei einer Christin, einer Jüdin sowie einem Muslim, Buddhist und Hindu.
Alexandra Friedmann arbeitet frei als Schriftstellerin („Sterben für Anfänger“, „Eine Geschichte von Sturm und Stille“) in Berlin Prenzlauer Berg. Sie ist 1989 mit ihrer Familie aus Weißrussland nach Deutschland gekommen.
In meiner Kindheit und Jugend, die ich in Krefeld verbracht habe, war ich sehr regelmäßig in der Synagoge, wo auf Hebräisch aus der Thora gelesen worden ist. Da waren immer viele Familien mit ihren Kindern da. Der Shabbat am Freitagabend war damit auch so eine Art Event für die ganze jüdische Community.
Jetzt, wo ich eigene Kinder habe, versuche ich die jüdische Tradition für uns wieder neu zu beleben. Einerseits haben wir in der Weihnachtszeit einen Adventskranz, weil meine Kinder den bei anderen Familien gesehen haben. Gleichzeitig haben wir aber auch einen Chanukka-Leuchter, um das jüdische Lichterfest zu feiern.
Ich habe öfter das Kabbalah-Zentrum in Berlin besucht, das sich mit dem mystischen Teil des Judentums beschäftigt. In meinen Büchern geht es ja auch manchmal um jüdische Geschichten und Anekdoten. Ein zentrales Thema in der Kabbalah, was ja nur „das Überlieferte“ bedeutet, aber auch im orthodoxen Judentum, ist die Auseinandersetzung mit einem selbst. Das verstehe ich unter Glauben und Spiritualität allgemein, in sich selbst reinzuschauen unter der Fragestellung: Wie kann ich ein besserer Mensch werden?
Ich halte es für sehr sinnvoll, dass man mit anderen Religionen in den Austausch geht, jetzt mehr denn je. Vielleicht müssen wir das alle wieder mehr lernen.
Zur jüdischen Kultur insgesamt gehört es, Dinge mit Humor zu nehmen, auch wenn alles sehr schlimm ist. Es muss immer ein bisschen Humor und Optimismus übrigbleiben.
Verena Schulemann ist Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde am Weinberg in Berlin-Mitte und arbeitet als Journalistin und Autorin.
Ich bin praktizierende Christin und gehe mit meinen beiden Kindern regelmäßig in die Kirche. Außerdem engagiere ich mich ehrenamtlich in der Gemeinde. Wir genießen den Gottesdienst in der schönen Sophienkirche sehr – für uns ist das immer der perfekte Start in den Sonntag. Die religiöse Gemeinschaft bedeutet mir sehr viel.
Ich lebe das Kirchenjahr ganz aktiv vom Erntedankfest bis zur Adventszeit. Das finde die sehr wichtig. Die christlichen Feiertage sind ja nach dem Menschen ausgerichtet. Sie helfen einem in der dunklen Jahreszeit oder durch eine Trauerphase oder leiten den Frühling ein.
Die zehn Gebote sind sicherlich so etwas wie der Wertekanon der Christenheit. Ich würde sagen, dass Frieden und Gemeinschaft zu den wichtigsten christlichen Werten gehören.
Ich habe mal als Pressereferentin für den Zentralrat der Juden in Deutschland gearbeitet. Da bin ich für die „Denkfabrik Shalom Aleikum“ zuständig gewesen, in der es um einen jüdisch-muslimischen Dialog geht. Das ist nicht immer leicht und braucht viel Zeit. Aber ich glaube, der Ansatz, einen interreligiösen Dialog zu versuchen, ist ein hehres Motiv.
„Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft“, heißt es im Brief an die Philipper. Der Glaube, dass wir im Grunde alle friedfertige Wesen sind, ist eine ganz zentrale Botschaft, finde ich. Wenn wir alle Hoffnung und Frieden in uns tragen, ist schon viel gewonnen.
Slim Garci besucht die Seituna Moschee in Berlin-Charlottenburg und arbeitet als Sporttherapeut sowie als Fußballtrainer beim SC Staaken.
Ich stamme aus Tunesien aus einer muslimischen Familie. Seit zehn Jahren lebe ich in Berlin und gehe freitags in eine Moschee in Charlottenburg, denn hier sind auch andere Muslime, die aus Tunesien stammen. Das große Freitagsgebet finde ich wichtig, denn dann ist ein Imam da und spricht über den Islam. Ich lerne immer wieder etwas Neues über meine eigene Religion.
Wir feiern den kleinen und großen Bayram. Beim kleinen Bayram bekommen die Kinder Geldgeschenke und neue Kleider und die ganze Großfamilie trifft sich zum Essen, das ist ein bisschen so wie das Weihnachtsfest hier in Deutschland. Das hat eine große Bedeutung für mich, sodass ich auch fast jedes Jahr dafür nach Tunesien reise. Beim großen Bayram wird ein Lamm geschlachtet, das findet dann aber im engeren Familienkreis statt.
Ehrlichkeit ist für mich der wichtigste Wert, der über die Religion hinausgeht. Auch wenn das nicht immer allen gefällt, aber ich bin ein ehrlicher Mensch.
Ich habe in Berlin immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, sich abends in einer Kneipe oder einem Club mit anderen Menschen über Religion zu unterhalten. Dabei kommen eben auch mit Nicht-Muslimen gute Gespräche zustande, bei dem beide die Religion des anderen akzeptieren. Diese Offenheit und Toleranz mag ich sehr an Berlin.
Im Koran heißt es „Euch eure Religion und mir meine Religion.“ Das kann ich nur unterstreichen und lebe das auch in meinem Alltag. Wir sind manchmal bei Freunden in Berlin zum Weihnachtsfest eingeladen und feiern dann gern mit, obwohl wir Muslime sind und keine Christen.
Christoph Sūryajina Vornhusen ist Mitglied in der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna Berlin e.V. in Kreuzberg und arbeitet über seine Firma BENCON ENERGIES als Energieberater.
Im Buddhismus geht es um Vertrauen auf dem Pfad der Erleuchtung. Ich versuche, im Alltag achtsam zu sein. Dabei helfen mir die Meditation und das Studium der buddhistischen Lehre. Ein großer Bestandteil sind auch Retreats, also oft mehrtägige Treffen in buddhistischer Gemeinschaft, um einfach mal offline zu sein.
Es gibt um Beispiel den Buddha-Tag, auch Vesak-Feier genannt, wo wir seine Geburt, seine Erleuchtung und seinen Tod feiern - mit gemeinsamer Meditation und Puja. Das ist immer ein ganz besonderer Tag, den ich auch entsprechend würdige.
Freiheit ist einer der wichtigsten Werte im Buddhismus für mich. Es geht dabei auch um Befreiung vom Leid zum Wohle aller Lebewesen. Dazu muss man sich selbst erstmal annehmen und verstehen. Anderen mit Güte zu begegnen, ist auch ein zentraler Wert bei uns.
Ich denke, der Buddhismus kann viel dazu beitragen, dass wir hier in der westlichen Welt die östliche Hemisphäre besser verstehen. Ansonsten ist es natürlich wichtig, sich auszutauschen. Wir leben alle auf dieser Welt, das eine Leben ist kostbar, wir sollten das in Frieden tun.
Es gibt ein Zitat von Buddha, das er auf dem Sterbebett gesagt hat: „Sei stets bestrebt, achtsam zu sein.“ Das ist auf jeden Fall eine wichtige Kernbotschaft.
Karl Schimkowski besucht regelmäßig den hinduistischen Jagannatha Tempel (ISKCON Berlin e. V.) in Berlin-Weißensee und arbeitet freiberuflich als Übersetzer.
Der Hinduismus lebt ja geradezu von der Meditation, bei der wir Mantras – also Gebete oder Sprüche – immer wiederholen. Das Zählen dieser Wiederholungen läuft über die Perlen einer Gebetskette. Das begleitet mich regelmäßig in meinem Alltag.
Es gibt auch im Hinduismus viele Feiertage, je nach Tradition mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Einer der wichtigsten Feiertage ist sicherlich „Krishna Janmaschtami“, also der Geburtstag des Gottes Krishna, der im Grunde in allen hinduistischen Tempeln groß gefeiert wird mit Gesang und Essen. Das gemeinsame Essen genießt ja ohnehin einen sehr hohen Stellenwert bei uns Hindus.
Unsere wichtigsten Werte sind Mitgefühl, Wahrhaftigkeit, Bescheidenheit und Reinheit. Das Mitgefühl schlägt sich nicht zuletzt in der vegetarischen Ernährung nieder. Für uns Hindus sind Tiere auch wichtige Geschöpfe mit einem Bewusstsein. Was auch üblich ist bei uns, ist das Verteilen von warmen Mahlzeiten an bedürftige Menschen.
Ein interreligiöser Dialog kann auf jeden Fall einen wichtigen Beitrag leisten. Im Dezember haben wir das zehnjährige Bestehen des Berliner Forums der Religionen gefeiert. Daran ist meine Hindu-Gemeinde auch aktiv beteiligt. Es ist wichtig, die religiöse Vielfalt zu erkennen und in dieser Vielfalt auch das Gemeinsame zu sehen. Ich bin auch sehr dankbar, dass es in Berlin diese Möglichkeiten für einen breiten Austausch gibt. Man kann sich über andere Religionen etwas anlesen, aber noch wichtiger sind persönliche Begegnungen, um andere Religionen wirklich zu verstehen und Vorurteile abzubauen.
Für mich ist die wichtigste Botschaft aus dem Hinduismus die Bescheidenheit. Wir sprechen ja heutzutage gern von Minimalismus. Der wäre gerade in unseren Breiten wichtig, denn hier sammeln die Menschen so viel vergängliches Zeug an. Ein Großteil davon ist eigentlich überflüssig. Somit täte es uns westlich-materiell geprägten Menschen ganz gut, etwas bescheidener zu leben.
Die Portraits sind Bestandteil unseres Beitrags „Berliner Vielfalt Religionen“: Lesen Sie hier, wie Berlin den Austausch unter den vielfältigen Religionsgemeinschaften fördert?
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