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E-Mental-Health: Wann ist die Internettherapie eine Regelleistung?

E-Mental-Health: Die Herausforderungen der Online-Psychotherapie

Für therapeutische Verfahren rückt das Internet zunehmend in den Fokus. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Smartphone, Tablet und Co. für viele Menschen zu stetigen Begleitern geworden sind, resultiert zum anderen aber vor allem aus den derzeitigen Versorgungsengpässen. Immer mehr Menschen benötigen aufgrund psychischer Leiden medizinische Unterstützung und die Wartezeiten für einen Therapieplatz belaufen sich nicht selten auf mehrere Monate.

E-Mental-Health-Angebote bieten die Chance, diesen Engpässen zu begegnen und die Regelversorgung sinnvoll zu ergänzen. Onlinegestützte Interventionen bringen aber auch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Welche dies sind, klären wir im Folgenden.

1. Fernbehandlungsverbot: Ist ein persönlicher Kontakt erforderlich?

Das Verbot der Fernbehandlung steht aktuell stark in der Diskussion, ist aber nach wie vor gültig. Demzufolge ist eine Versorgung von Patienten allein über Kommunikationsmedien nicht zulässig. Konkret bedeutet dies: Die Internettherapie ist zwar nicht generell verboten, es muss aber immer Face-to-Face-Kontakt eingebaut werden. Denn die Musterberufsordnung (MBO) der Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sieht in § 5 vor, dass eine Internettherapie nur in begründeten Ausnahmefällen möglich ist und die Therapie in der Regel im persönlichen Kontakt erfolgen muss. Außerdem müssen für die Internettherapie besondere Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden. Hierzu zählen:

  • Patienten müssen mündlich über die Behandlung aufgeklärt werden und die Möglichkeit für Nachfragen haben.
  • Psychotherapeuten müssen sich zudem vorab ein eigenes Bild von ihrem Patienten machen und im Therapieverlauf die Diagnose immer wieder auf den Prüfstand stellen.

2. Fehlende E-Mental-Health-Standards

E-Mental-Health-Angebote sind mittlerweile recht zahlreich im Internet zu finden. Die Bandbreite reicht von Foren über Apps zur Symptom-Protokollierung bis hin zu Selbsthilfeprogrammen mit Anleitung eines Beraters. Dabei verfolgen die verschiedenen E-Mental-Health-Produkte sehr unterschiedliche Ziele, etwa Information, Prävention, Diagnostik, aber auch Therapie und Nachsorge. Ebenso vielfältig sind die verwendeten Begriffe: Psychotherapie via Skype, Online-Coach, iCBT oder Chat-Therapie – internetbasierte Interventionen haben viele Namen. Problematisch in diesem Zusammenhang: Es gibt kein bundesweites Gütesiegel, Patienten können die Qualität der E-Mental-Health-Angebote kaum abschätzen bzw. vergleichen.

Mit dem E-Health-Gesetz hat die Bundesregierung zwar einen ersten Schritt getan, der Digitalisierung im deutschen Gesundheitsweisen einen rechtlichen Rahmen zu geben. Konkrete Qualitätsstandards für E-Mental-Health-Produkte, die Nutzern anzeigen, dass es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Intervention handelt, fehlen bislang jedoch.

Um Psychotherapeuten, Ärzten und Patienten zumindest eine erste Orientierung zu geben, hat die von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) eingerichtete Taskforce E-Mental-Health vorläufige Standards erarbeitet. Hierzu zählen:

  • Die Zielgruppe, an die sich das E-Mental-Health-Angebot richtet, muss klar beschrieben werden.
  • Die klinische Versorgung muss integrierbar sein.
  • Die Datensicherheit muss gewährleistet sein.
  • Um rechtlichen Grundlagen zu genügen, müssen Face-to-Face-Kontakte eingeplant sein.
  • Patienten sollten über das Verhältnis von Kosten und Nutzen informiert werden.
  • Es muss angegeben werden, welche Ansprechpartner kontaktiert werden bzw. welche Maßnahmen eingeleitet werden, wenn es zu psychischen (suizidalen) Krisen kommt.

 

3. Indikation: Für welche Beschwerden ist E-Mental-Health geeignet?

Für welche Patienten eine Internettherapie geeignet ist und in welchen Fällen eine klassische Therapie sinnvoller wäre, ist nicht abschließend festgelegt. Für die Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, Phobien und Depressionen konnte die Wirksamkeit in zahlreichen kontrollierten Studien nachgewiesen werden. Auch bei Ess- oder Angststörungen ist der Behandlungseffekt einer Internettherapie verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge mit Face-to-Face-Behandlungen vergleichbar. Grundsätzlich richten sich E-Mental-Health-Produkte aber nicht nur an Personen mit diagnostizierten psychischen Leiden. Sie können auch in anderen Versorgungsphasen zum Einsatz kommen. Menschen, die beispielsweise unter depressiven Episoden leiden, in denen Sie nicht mehr vor die Tür gehen, könnten mit einer Online-Therapie zeitnah Unterstützung erhalten. Bei akut-psychotischen Zuständen, Dissoziation und suizidalen Krisen kann eine Internettherapie, also eine Behandlung auf Distanz, hingegen kontraindiziert sein.

4. Honorarabrechnung: Ist die Internettherapie abrechenbar?

Registrierte niedergelassene ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten dürfen hierzulande bislang eine Internettherapie nicht abrechnen. Onlinegestützte Interventionen gelten nicht als Regelleistungen. Das bedeutet, Patienten müssen aktuell privat bezahlen, wenn sie E-Mental-Health-Angebote in Anspruch nehmen wollen. Einige Krankenkassen führen allerdings Pilotprojekte für Internettherapien durch und bieten beispielsweise Versicherten gezielt E-Mental-Health-Produkte an, wenn diese infolge einer affektiven Störung von ihrem Hausarzt krankgeschrieben wurde.

Fazit:

E-Mental-Health bietet ein enormes Potenzial, die Versorgungsengpässe bei psychischen Leiden zu reduzieren. Sowohl die Bundespsychotherapeutenkammer als auch das Bundesgesundheitsministerium stehen der Internettherapie grundsätzlich offen gegenüber. Um dieses Potenzial voll ausschöpfen zu können und E-Mental-Health-Angebote zum Bestandteil der Regelversorgung zu machen, müssen jedoch noch einige Hürden genommen werden.

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