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Vor einem Schaufenster steht ein älterer Mann mit grauen Haaren udn vor der Brust verschränkten Armen.

Seeling Treff: „Wir schaffen eine Perspektive“

Im Berliner „Seeling Treff“ von der GEBEWO können sich wohnungslose und mittellose Menschen tagsüber aufhalten. In der Charlottenburger Tagesstätte, die schon seit 1984 existiert, gibt es Duschen, Beratung, eine warme Mahlzeit – und bei Bedarf eine Postadresse. Wir haben den Leiter Alexander Krasny in seiner Einrichtung getroffen und mit ihm über die Notwendigkeit dieses niederschwelligen Hilfsangebots gesprochen. Die Berliner Sparkasse hat die Tagesstätte im letzten Winter im Rahmen ihres Engagements im Berliner Netzwerk „Charta der Wärme“ und der Sparkassenlotterie „PS Sparen und Gewinnen“ mit einer Spende unterstützt.   

Herr Krasny, der Seeling Treff in Berlin ist gut gefüllt, obwohl hier niemand übernachten kann. 

Alexander Krasny: Wir sind ein reiner Tagesaufenthalt. Das ist der Unterschied zu anderen Einrichtungen wie einer Notübernachtung. Bei uns können sich die Leute tagsüber aufhalten, wir haben keine Zugangsbeschränkungen. Es handelt sich also wirklich um ein sehr niedrigschwelliges Angebot. Die Leute können hier einfach herkommen und müssen nichts nachweisen.

  

Also die Besucher sind nicht zwangsläufig obdachlos?

Krasny: Das Programm ist vorrangig für obdachlose und mittellose Menschen gedacht. Wir haben schon auch einen gewissen Anteil an Leuten hier, die aus der Nachbarschaft sind und einfach wenig Geld haben, weil sie vielleicht nur eine geringe Rente bekommen und schauen müssen, wie sie über die Runden kommen und dann eben bei uns mitessen. Teilweise geht es diesen Menschen auch darum, soziale Kontakte zu haben, weil sie schlichtweg einsam sind.

  

Inwieweit können Sie den Menschen helfen, die zu Ihnen kommen?

Krasny: Die Leute können hier essen und trinken, duschen, ihre Wäsche waschen. Wir haben WLAN und verleihen Laptops und Tablets an unsere Gäste. Damit gehen sie auch sehr ordentlich um. Die Leute können ihre elektrischen Geräte aufladen. Bei uns liegen Zeitungen aus. Wir haben eine Kleiderkammer, die über Spenden aufgefüllt wird. In der Nachbarschaft hier in Charlottenburg gibt es viele Menschen, die uns regelmäßig mit Spenden versorgen, was tatsächlich sehr hilfreich ist.

 

Wie wichtig sind Spenden für Ihre Einrichtung?

Krasny: Wir bekommen Förderung von der Stadt Berlin, aber diese Zuwendungen stagnieren seit Jahren, während aber gleichzeitig alle unsere Kosten steigen – von den Lebensmitteln bis hin zu den Gehältern. Teilweise mussten wir unser Angebot reduzieren, weil wir bei den Personalkosten sparen müssen. Somit sind wir tatsächlich ein ganzes Stück weit darauf angewiesen, dass uns Privatpersonen oder Unternehmen wie jetzt die Berliner Sparkasse mit Kleidung oder Geldbeträgen unterstützen. So konnten wir im Winter unseren Gästen mit Zelten, Isomatten und Schlafsäcken helfen und sie auch mit warmer Kleidung versorgen. Da sind wir momentan gut aufgestellt, aber es gibt in Berlin insgesamt zu wenig Tagesstätten für zu viele Menschen. Teilweise hatten wir Kapazitätsprobleme im Seeling Treff, so dass manche Menschen zwei Stunden draußen in der Kälte warten mussten, bis bei uns ein Platz frei wurde. 

In einer Küche stehen drei Personen. Links steht ein älterer Mann, der mit seinem rechten Arm den Herd berührt. In der Mitte steht eine Frau mit langen Haaren. Rechts steht ein jüngerer Mann im karierten Hemd.

Tagesstättenleiter Alexander Krasny (r.) ist stolz auf sein Küchenteam Elke Horbach und Peter Opar.

Wohnungslose Frauen und Männer können den Seeling Treff als Postadresse nutzen. Das klingt so banal, ist aber sicherlich für viele von zentraler Bedeutung, oder?

Krasny: Ja, wir bieten das an, weil es notwendig ist als Grundlage, um Sozialleistungen beziehen zu können. Man muss keine Wohnung haben, man muss kein Konto haben, aber wenn man einen Arbeitslosengeld-II-Anspruch hat, benötigt man eine Postadresse. Das wird stark nachgefragt bei uns, allerdings steht dahinter auch ein großer Verwaltungsaufwand. Wir müssen immer wieder schauen, für wie viele Leute wir gleichzeitig eine Postadresse bewerkstelligen können, denn wir müssen die Post dann ja auch verwalten. Und teilweise sind die Leute auch mal ein halbes Jahr weg, und dann stapelt sich hier die Post. Aber nichtsdestotrotz ist dieser Service wichtig und sinnvoll für obdachlose Menschen. 

Inwiefern leisten Sie im Seeling Treff noch Hilfestellung?

Krasny: Wir haben Schließfächer, so dass die Leute nicht immer ihr gesamtes Hab und Gut mit sich herumtragen müssen und Gefahr laufen, etwas zu verlieren. Immer wieder neue Ausweisdokumente erstellen zu lassen, geht ziemlich ins Geld und stellt naturgemäß eine hohe Hürde dar. Aber wenn es nötig ist, begleiten wir die Leute zu den Ämtern und engagieren uns somit auch außerhalb unserer Tagesstätte für unsere Gäste. Bei den Gebühren für einen neuen Ausweis helfen wir auch mal mit unseren Spendengeldern aus – gerade wenn es mit solchen Dokumenten oder einer Steuer-ID die Chance gibt, Leistungen zu beziehen oder ein Arbeitsverhältnis aufzunehmen. Manchmal gelingt es uns schon, die Menschen, die uns besuchen, soweit zu motivieren, dass sie sich selbst wieder besser um ihr Leben kümmern. 

 

Gelingt es Ihnen manchmal, Obdachlose in ein Arbeitsverhältnis zu bringen?

Krasny: Ja, wir haben einen ehemaligen Besucher unserer Einrichtung bei uns angestellt im Rahmen des solidarischen Grundeinkommens. Der Senat finanziert so eine Arbeitsstelle über fünf Jahre. Er unterstützt uns hier als Obdachlosen-Lotse und begleitet Besucher und Besucherinnen zu Behörden. Er sammelt übrigens immer noch Flaschen auf der Straße, obwohl er inzwischen ein Gehalt bekommt, von dem er leben kann. Bestimmte Verhaltensweisen legt man eben nie ab. Ansonsten sind unsere Stellen im Küchenbereich übers Jobcenter finanziert. Diese Menschen freuen sich sehr darüber, hier gebraucht zu werden. Einer, der jetzt in der Küche arbeitet, ist auch ein ehemaliger Besucher unserer Tagesstätte. Wir schaffen hier eine Perspektive. 

 

Sie haben hier auch eine ganze Reihe Obdachloser aus dem Ausland zu Gast.

Krasny: Ja, viele unserer Besucher kommen aus dem EU-Ausland. Für diese Menschen ist es kaum möglich, eine Stufe höher zu steigen beziehungsweise eine eigene Wohnung zu bekommen, weil es an den Leistungsansprüchen scheitert und an den Nachweisen, die man erbringen muss. Dann gibt es nur die Chance, eine Arbeit zu finden, aber diese Hürde ist ja im Grunde noch höher, denn wenn jemand auf der Straße lebt und kein Konto hat, ist es wiederum kaum möglich, einen normalen Arbeitsvertrag zu bekommen. Wir würden gern mehr für genau diese Menschen machen, die durchs Raster fallen.  

 

Was macht dieser besondere Beruf mit Ihnen? 

Krasny: Ich mag die Arbeit sehr, obwohl ich mir manchmal wünsche, mehr erreichen zu können. Aber immerhin führt unsere Arbeit dazu, dass die Obdachlosen, die uns besuchen, nicht noch weiter abrutschen. Sie können sich hier aufhalten, etwas Vernünftiges essen, ihre Kleidung waschen und sich somit einen gewissen Standard bewahren. Das sind dann schon kleine Erfolge, die wir hier erleben können. Wir führen auch wichtige Gespräche. Obdachlose leiden auch darunter, oft nicht richtig wahrgenommen zu werden. Viele unserer Besucherinnen und Besucher sind froh, hier als ganz normale Person angesehen zu werden. Das ist sehr wichtig und macht einen Unterschied. 

www.gebewo-pro.de/seeling-treff

Wir übernehmen Gesellschaftliches Engagement für unsere Stadt.
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